Virtual Reality, Reisebüros und Nachhaltigkeit: Die Zukunft des deutschen Reisens

Virtual Reality, Reisebüros und Nachhaltigkeit: Die Zukunft des deutschen Reisens

Aktualisiert am: 25/07/2023
Lesezeit: 5 Min.

Seit März dieses Jahres wurden Schritt für Schritt viele der Corona-Einschränkungen in Deutschland gelockert. Ein erster Schritt zurück in Richtung Normalität, könnte man meinen. Aufgrund der anhaltenden Inflation versuchen viele Deutsche trotzdem, ihre Ausgaben für nicht lebensnotwendige Dinge zu minimieren. Wie geht es vor diesem Hintergrund weiter mit der Freizeit- und Reisebranche, die zweifelsohne am stärksten unter der Pandemie gelitten hat? Wie könnte die Zukunft des Reisens aussehen, und was können Unternehmen tun, um einem weiteren Rückschlag in diesem Jahr entgegenzuwirken? Mintel Leisure Analyst Hannah Sandow erklärt, was Freizeit- und Reiseunternehmen tun können, um den deutschen Reisemarkt wieder anzukurbeln.

Persönliche Beratung durch Experten ist wieder in, vor allem bei Millennials

Eine Zeit lang sah es so aus, als würden klassische Reisebüros bald der Vergangenheit angehören. Immer mehr Menschen haben ihre Reise über einen Online-Anbieter gebucht. Allerdings scheint sich eine überraschende Trendwende abzuzeichnen. Zwar holen sich deutsche Reisende immer noch gerne online Inspiration, zwei von fünf sagen jedoch, dass sie Reisebüros eher vertrauen als Online-Reiseanbietern. Bei Millennials ist diese Entwicklung noch deutlicher zu sehen als bei Baby-Boomern. So geben drei von zehn Millennials an, dass sie sich heute eher von einem Reisebüro beraten lassen würden als vor der Pandemie. Das hat auch damit zu tun, dass Verbraucher heutzutage möglichst viel für ihr Geld geboten bekommen möchten, das sie in ihrer Freizeit ausgeben.

Aus diesem Grund versucht auch das Reiseunternehmen TUI, das sich eine Zeit lang auf den Online-Vertrieb konzentriert hatte, jetzt wieder seine Beziehungen zu deutschen Reisebüros zu verbessern. Durch die Nutzung verschiedener Kanäle können Anbieter sich gegenüber potenziellen Kunden als Experten positionieren und ihren Kundenstamm, vor allem unter den Millenials, langfristig vergrößern.

Reiseinspiration durch Virtual Reality

Auf Grund der anhaltenden Inflation, die durch die Pandemie und den Konflikt in der Ukraine ausgelöst wurde, stehen deutsche Verbraucher der Wahl ihres nächsten Urlaubsziels wahrscheinlich zögerlicher gegenüber. Sie suchen im Vorfeld Inspiration im Internet und schauen sich, bevor sie etwas buchen, Videos und Fotos ihres Reiseziels an. Das Interesse an der Online-Inspiration ist dabei mit 61 % bei den 16- bis 24-Jährigen am höchsten (bei den über 55-Jährigen suchen im Vergleich nur 42 % nach Inspiration online).

Das eröffnet neue Möglichkeiten für den Bereich der virtuellen und erweiterten Realität (VR/AR). Durch diese Technologien, die immer günstiger und damit auch zugänglicher werden, können Verbraucher im Vorfeld im virtuellen Raum mit Reisezielen und Attraktionen interagierenund sie erforschen. So setzt auch das DDR-Museum in Berlin bereits auf die Technologie der erweiterten Realität, um die Berliner Mauer im Handyspiel Minecraft Earth wieder auferstehen zu lassen.

Ein weiteres interessantes Beispiel ist das Reisebüro Japan Travel. Mit virtuellen Events wie Stadtführungen, Wanderungen oder Kochkursen macht das Unternehmen Lust auf mehr. Bei Buchung ist sogar ein kostenloser Coronatest inklusive, der einen Anreiz für Besuche vor Ort schaffen soll, sobald das Reisen dorthin wieder möglich ist.

Nachhaltiges Reisen

Ein Großteil der deutschen Verbraucher ist prinzipiell umweltbewusst, trotzdem buchen nur ein Drittel der deutschen Kunden bevorzugt Reisen bei umweltfreundlichen Reisebüros. In den meisten Fällen entscheidet das Preis-Leistungs-Verhältnis über die Wahl des Urlaubsziels. Nur ein Sechstel der deutschen Kunden zahlt bei der Buchung von Flug- oder Zugreisen eine freiwillige CO2-Kompensation, und noch weniger leisten eine Ausgleichszahlung für Autoreisen. Verbraucher im asiatisch-pazifischen Raum sind dazu eher bereit. Über die Hälfte der thailändischen und indischen Verbraucher beispielsweise zahlen für die Kompensation von Emissionen bei Autofahrten.

Reiseanbieter können helfen, diese Lücke zwischen umweltfreundlichen Intentionen und tatsächlichem Verhalten zu schließen, indem sie hervorheben, welchen Unterschied bereits eine einzelne Reise machen kann. Die Deutsche Bahn beispielsweise hat eine Kampagne gestartet, die zeigt, wie einfach nachhaltiges Reisen sein kann, und bietet einen CO2-Rechner an, der die Umweltauswirkungen von Reisen mit dem Zug und anderen Transportmitteln miteinander vergleicht.

Anbieter können diese Gelegenheit nutzen und Nachhaltigkeit als Qualitätsmerkmal, und nicht als Verzicht kommunizieren. So können sie beispielsweise Aktivitäten wie Fahrrad- oder Kajaktouren anstelle von Bus- oder Motorbootreisen in ihr Repertoire mitaufnehmen.
In den Niederlanden, wo das Radfahren stark in der Kultur verankert ist, spricht das Niederländische Tourismusbüro gezielt deutsche Touristen mit thematischen Fahrradtouren an, die Sightseeing und Aktivurlaub auf nachhaltige Art und Weise miteinander verbinden. Das perfekte Beispiel, wie man die nachhaltigen Attribute von ohnehin unterhaltsamen Reiseaktivitäten hervorheben kann.

Was wir denken

Wie auch andere Industrien muss die deutsche Reiseindustrie einen Weg finden, um dem momentanen Zeitgeist und dem Wunsch nach nachhaltigeren Alternativen zu entsprechen. Gleichzeitig ist es wichtig, dass diese Reiseoptionen erschwinglich sind. Um mehr über nachhaltiges Reisen zu erfahren, werden Verbraucher sich in Zukunft wieder vermehrt an Reisebüros wenden, um sicher zu gehen, dass ihr Geld gut investiert ist.

Hannah Sandow
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