Gastgewerbe nach Corona: 3 gewinnversprechende Strategien der englischen Gastro-Branche

27/05/2021
Lesezeit: 6 Min.

Seit vorletzter Woche dürfen britische Gastro-Unternehmen nach 14 Monaten langer Wartezeit ihre Gäste wieder in ihren Innenräumen willkommen heißen. In Deutschland ist die Außengastronomie unter Einhaltung der Corona-Regelungen und nur für Getestete oder Geimpfte wieder geöffnet, bei der Innengastronomie herrscht aktuell weiterhin Uneinigkeit. In diesem Artikel stellen wir drei Strategien aus Großbritannien vor, mit denen die Gastrobetriebe ihr Geschäft ankurbeln wollen – und die auch für deutsche Gastwirte von Interesse sein könnten.

1. Menüs um Premium-Angebote erweitern

Seit der Corona-Pandemie driften englische Gastronomiebetriebe stärker in die Premiumisierung. Das trifft auf Verbraucherverlangen: Mehr als ein Fünftel der Verbraucher bevorzugt Gastronomiebetriebe mit Menügerichten, die zu Hause nur schwer zuzubereiten sind.

Das im Londoner Stadtteil White City gelegene Restaurant Prairie Fire ist ein interessantes Beispiel für außergewöhnliche Gerichte, die zu Hause kaum realisierbar sind. Der Betrieb ist auf Kanas-Style Barbecue spezialisiert, bei dem jegliches Fleisch in einem Grubenfass oder Holzkohlegrill bei niedrigen Temperaturen über mehrere Stunden gegart wird und im Anschluss mit einer hausgemachten BBQ-Sauce verfeinert wird.


Kansas City Style Barbecue
Quelle: Prairie Fire

Auch das Restaurant Mr Ji im angesagten Soho-Viertel Londons hat sein Konzept infolge der Pandemie verändert. Bot das Restaurant vor der Krise noch Fried Chicken im „Grab and Go“-Format an, hat sich Gründer Samuel Haim nun mit den Köchen Ana Gonçalves und Zijun Meng von TĀ TĀ Eatery und Tóu zusammengetan, um als Full-Service-Restaurant experimentelle, taiwanesisch inspirierte Gerichte auf den Tisch zu bringen.


Ein traditionelles taiwanesisches Nudelgericht
Quelle: Instagram, @mrjirestaurant

Seit der Neueröffnung hat Mr. Ji begeisterte Rezensionen erhalten, unter anderem von Star-Kritiker Jay Rayner, der für den britischen Guardian schreibt: „Sehr angetan bin ich von den in Panko-Kruste gebratenen Hühnerherzen, die in einzelne kanuförmige Salatblätter gesteckt und mit einem Klecks süßer Currysauce serviert werden. Ein Salat-Wrap, der das Scheinwerferlicht wahrlich verdient hat.“

Da die Menschen infolge der Pandemie immer sparsamer werden, ist es für die Gastwirte wichtig, die Kunden zu erreichen, die sich am ehesten hin und wieder einen Premium-Leckerbissen gönnen wollen. Ob Gerichte, die mit speziellen Techniken zubereitet werden, oder einzigartige Kombinationen mit „Wow“-Faktor –die Restaurants setzen einen starken Kontrast zu den Gerichten, die man einfach zu Hause zubereiten kann.

2. Hygienekonzepte für verschiedene Altersgruppen anpassen

Mit der Öffnung der Innengastronomie ist es denkbar, dass die Nachfrage nach Take-aways und Essenslieferungen sinken wird. Dennoch bleibt die Angst vor der Ansteckungsgefahr mit dem Coronavirus weiterhin bestehen. Dahingehend müssen Gastwirte dafür sorgen, dass sie die staatlichen Anforderungen erfüllen und sich ihre Kunden beim Restaurantbesuch wohl und sicher fühlen.

Aus Sicht der älteren Kunden muss das Gastronomiegewerbe einen stärkeren Fokus auf Lebensmittelsicherheit und Hygiene lenken. Seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie priorisiert über ein Drittel der über 65-jährigen Briten Lokale mit transparenten Hygienestandards – im Vergleich tut dies bei den 18-44-Jährigen gerade einmal jeder Fünfte. Angesichts der höheren Erwartungen an Sicherheit und Hygiene ist es wichtig, die ergriffenen Maßnahmen zur Reduzierung der Ansteckungsgefahr mit dem Coronavirus klarer zu kommunizieren.


Die Hygienerichtlinien der britischen Pub-Kette JD Wetherspoons vom 4. Juli 2020
Quelle: Mintel

Die erhöhte Hygienebesorgnis hat zudem zu einer größeren Nachfrage nach kontaktlosen bzw. berührungsfreien Dienstleistungen beschleunigt. Angeführt wird dieser Trend von den 18- bis 44-Jährigen, die mit größerer Wahrscheinlichkeit Gastronomiestätten mit jenen Optionen bevorzugen.

Zweifelsohne hat die Automatisierung im Gastronomiegewerbe zu schnellerem Service, Genauigkeit und – angesichts von COVID-19 – zu verbesserten Hygienekonzepten geführt. Nehmen wir nur das Beispiel des kontaktlosen Bezahlens: dieses ist nicht nur unkomplizierter und schneller als Zahlungen mit Bargeld, sondern kann gleichzeitig bei der Eindämmung des Coronavirus helfen, da hierbei die Berührung mit der Kartenlesemaschine entfällt.

Bei der englischen Pub-Kette JD Wetherspoons haben die Kunden nun die Möglichkeit, durch die betriebseigene App oder durch das Personal am Tisch und nicht wie sonst üblich an der Bar Getränke zu bestellen. Solche Lösungen können beispielsweise dabei helfen, das Gedränge vor der Bar zu reduzieren. Der hygienische Aspekt wird mehr Menschen dazu bringen, in der „neuen Normalität“, in der wir uns befinden, automatisierte Lösungen im Gastgewerbe anzunehmen.

3. Den Staycation-Boom und das Interesse nach lokalen Erzeugnissen nutzen

Obwohl ein Rückgang des Einreiseverkehrs in Großbritannien einige Foodservice-Betreiber treffen wird, besteht weiterhin die Möglichkeit, von der Vorliebe der Briten für den sogenannten „Staycation“, also dem Urlaub im eigenen Land, zu profitieren. So interessiert sich ein Drittel der Briten dafür, innerhalb Großbritanniens zu verreisen, um regionale Speisen zu erkunden.

Überdies gibt über ein Viertel der Verbraucher an, seit der seit der Corona-Pandemie Gaststätten zu bevorzugen, die britische Produkte verwenden. Das bietet Gastronomiebetreibern weitere Möglichkeiten, lokal bezogene Zutaten in ihrem Speisen- und Getränkeangebot hervorzuheben.

Das Konzept des „Gastropubs mit Zimmern“ – einer Kombination aus Pub, Hotel und Restaurant – passt gut in diesen Kontext. So hat das Ehepaar Sam und Georgie Pearman angekündigt, noch in diesem Jahr den Gastropub The Double Red Duke in Oxfordshire zu eröffnen. Die Betreiber des Gastropubs mit Zimmern haben sich mit den britischen Metzgern und Fleischspezialisten Richard Turner und Richard Sandiford zusammengetan, um eine Speisekarte mit gegrilltem Fleisch und Gemüse zu kreieren. Zudem wird das Gebäude des The Double Red Dukes derzeit erweitert, um weitere Hotelzimmer, einen größeren Speiseraum, eine weitere Bar sowie einen Gartenraum unterzubringen. Bei der Eröffnung soll es insgesamt 19 Zimmer zählen.

Das Aperitif-Zimmer des Double Red Duke
Quelle: Facebook, Double Red Duke

Einige Chefköche und Vermieter haben die schwächelnde Konjunktur dazu genutzt, neue Grundstücke in Stadtzentren zu erwerben, um sie rechtzeitig zum Urlaubsboom in Pubs und Hotels umzuwandeln. So hat sich zum Beispiel Andrew Clarke, ehemaliger Koch im St Leonards und Brunswick House in London, mit dem Vermieter Daniel Shipton zusammengetan, um mehrere Gastro-Konzepte in Hertfordshire zu eröffnen, darunter das Hertford House Hotel, die Tapas-Bar Anexo, das Feinkostgeschäft The Storehouse und das Hole in The Wall Takeaway.

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