Veränderte Konsumprioritäten eröffnen neue Chancen im europäischen Lebensmitteleinzelhandel

Veränderte Konsumprioritäten eröffnen neue Chancen im europäischen Lebensmitteleinzelhandel

Updated: 26/02/2024
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Die Haltung der europäischen Verbraucher:innen zum Lebensmitteleinkauf ist dynamisch, so ein zentraler Aspekt unseres europäischen Supermarkt-Reports. Diese Dynamik wirkt sich zuträglich auf die Lebensmittelbranche in der Region aus. In diesem Artikel beleuchten wir die großen Trends im Lebensmitteleinzelhandel und zeigen, wie die Händler unserer europäischen Nachbarn mit der Inflation umgehen.

Kundenbindung aufbauen und stärken

Mit der steigenden Inflation bei den Preisen für Lebensmittel und Getränke liegt enormes Potential im Hervorheben des Mehrwerts. Das Preis-Leistungs-Verhältnis wird auf absehbare Zeit ein zentraler Aspekt bleiben und weiterhin einen enormen Wettbewerbsvorteil für Discounter gegenüber Supermärkten und anderen Lebensmittelhändlern in höheren Preislagen schaffen. Die Herausforderung für Discounter besteht nunmehr darin, finanzkräftige Konsument:innen, die nur gelegentlich bei ihnen einkaufen, zu binden. In der Regel bieten Discounter ein kleineres Produktsortiment als herkömmliche Supermärkte an. Der Schlüssel zur Gewinnung von neuen Stammkund:innen ist, dieser Zielgruppe die Möglichkeit für einen kompletten Einkauf anzubieten. Mit ihrer Nachfragemacht, umfangreichen, wachsenden Eigenmarken-Sortimenten und etablierten Loyalitätsprogrammen haben Lebensmittelhändler schon alle Voraussetzungen, um ihre Marktstellung zu schützen. Auch wenn dies kurzfristig bedeutet, dass sie einige Kostensteigerungen selbst tragen müssen, anstatt sie vollständig an die Konsument:innen weiterzugeben.

Erstmals wurde für den Mintel-Supermarkt-Report abgefragt, an welchen Treue- und Bonusprogrammen des Lebensmittelhandels Verbraucher:innen teilnehmen. Die gewonnenen Daten bestätigen, dass diese sich tatsächlich positiv auf die Loyalität auswirken können. Demnach stimmen 64 Prozent der spanischen, 60 Prozent der französischen, 58 Prozent der italienischen und 53 Prozent der deutschen Verbraucher:innen, die Lebensmittel einkaufen zu, dass Treueprogramme sie in den letzten zwölf Monaten dazu gebracht haben, bei einem bestimmten Lebensmittelhändler einzukaufen. Darüber hinaus gibt die Mehrheit der europäischen Verbraucher:innen an, dass die über solche Programme verfügbaren Angebote in den letzten zwölf Monaten wichtiger für sie geworden seien.

Treueaktionen im Lebensmittelhandel können also ein mächtiges Instrument zur Sicherung der Marktstellung sein. Indem Konsument:innen ermutigt werden, an einem Programm teilzunehmen und so die Kosten ihres Einkaufs zu reduzieren, kann die „Abwanderung“ zu den Rivalen vermindert werden. Dies kann erfolgreich Anwendung finden, wenn Konsument:innen ihren Haupteinkauf bei herkömmlichen Supermärkten tätigen, aber Discounter besuchen, um andere Produkte wie Angebotsware zu kaufen. Auch digitale Treueprogramme haben Potential. Etwa in App-Form, wie es Lidl mit seiner Plus-App vormacht. Ein digitales Treueprogramm kann besonders zur Ansprache der jüngeren Zielgruppe effektiv sein.

Wie können Supermärkte den Verbraucher:innen in der Lebenshaltungskostenkrise helfen?

Extrem steigende Lebenshaltungskosten sowie der Konflikt in der Ukraine treiben auch die Nahrungsmittelpreise in die Höhe. Viele Menschen geraten finanziell unter Druck. In der Folge geben über drei Viertel (80 Prozent) der spanischen, 69 Prozent der italienischen, 66 Prozent der französischen und fast die Hälfte (48 Prozent) der deutschen Lebensmittelkäufer:innen an, dass sie sich vom Einzelhandel mehr Spartipps (z. B. Informationen über Treueprogramme, Benachrichtigungen über Aktionen per App/E-Mail) wünschen. In Ländern wie Spanien und Frankreich führen die gestiegenen Lebenshaltungskosten dazu, dass die Menschen dort mehr bei Discountern einkaufen als früher.

Zur Abmilderung der Inflation präsentierte Carrefour im September 2022 in Spanien einen Korb mit 30 Grundnahrungsmitteln für 30 Euro. Im Angebot enthalten sind unter anderem Konserven, Pasta, Öl und Kaffee. In Frankreich fror die französische Supermarktkette im August 2022 die Preise von Hunderten ihrer Produkte ein, um französischen Konsument:innen bei der Bewältigung der hohen Inflation zu helfen.

Mit derselben Motivation führte der auf Tiefkühlkost spezialisierte Supermarkt Iceland in Großbritannien die sogenannten Value Essentials ein. Die Produktlinie umfasst preisgünstige Lebensmittel wie Brot, Milch, Obst und andere Grundnahrungsmittel. Zudem folgten  Kochtipps für die Zubereitung in der Heißluftfritteuse auf den Verpackungen. 

Das Beispiel zeigt, wie Einzelhändler aktiv nach innovativen Möglichkeiten suchen können, um die Kostenbelastung der Verbraucher:innen mitzudenken. Einen Monat vor dem Launch der Aktion beauftragte Iceland nämlich eine Studie, die ergab, dass Heißluftfritteusen zu den kostengünstigsten Geräten gehören und pro Mahlzeit über drei Pfund Ersparnis erbringen. Weitere Maßnahmen sind eine Preissenkung von einem Pfund für Produkte aus dem Spar-Tiefkühlsortiment, ein Rabatt in Höhe von zehn Prozent immer dienstags für über 60-Jährige, ein 30-Pfund-Gutschein für Rentner:innen sowie ein zinsfreies Darlehensprogramm, um Kund:innen bei der Finanzierung des Lebensmitteleinkaufs zu unterstützen.

Nachhaltigkeit wirkt

Unsere Forschung identifiziert Themen, die Verbraucher:innen im Kontext Nachhaltigkeit und Lebensmitteleinkauf bewegen. Einzelhändler können sich demnach besonders wirkungsvoll durch ihre Maßnahmen differenzieren. So fühlt sich die Mehrheit der Europäer von Belohnungen für das Recycling von Verpackungen im Rahmen eines Treueprogramms (z. B. Rabattcodes, Geschenke) dazu motiviert, häufiger zu recyceln. Der von Mintel identifizierte Trendtreiber Surroundings zeigt, dass Verbraucher:innen in einer Weise handeln möchten, die der Umwelt nicht schadet, und Unternehmen unterstützen, die versuchen, Abfall zu reduzieren und die Umwelt zu schützen. Während Supermärkte vor allem Änderungen an ihrem Eigenmarken-Sortiment vornehmen können, liegt es an den Herstellern, hierbei eine Führungsrolle einzunehmen.

Gemeinsam mit den Verbraucher:innen gegen Produktverschwendung

Ein Trend, der weiter an Bedeutung gewinnt und den Lebensmittelhandel auffordert, die Anliegen der Konsument:innen ernst zu nehmen, ist der Kampf gegen die Verschwendung von Lebensmitteln. Eine Maßnahmen kann der Nachfüllservice sein, der zunehmend auch bei Markenprodukten und nicht nur bei losen Grundnahrungsmitteln wie Reis, Bohnen und Pasta Anwendung findet.

Laut unserer Studie wird das Thema Verschwendung bei europäischen Verbraucher:innen zunehmend zur Priorität. Finanzielle Bedenken und der Wunsch, Lebensmittel und andere Produkte nicht wegwerfen zu wollen, verschmelzen hierbei. Die Ergebnisse besagen, dass fast neun von zehn (89 Prozent) der italienischen, 84 Prozent der französischen, 79 Prozent der spanischen und fast drei Viertel (74 Prozent) der deutschen Konsument:innen von Lebensmitteln in den letzten zwölf Monaten aktiv versucht haben, die Menge an verschwendeten Nahrungsmitteln zu reduzieren.

In Frankreich beispielsweise lanciert Auchan im März 2022 eine neue Strategie zur Bekämpfung von Lebensmittelverschwendung. Hierzu kooperiert der Retailer mit dem Technologieunternehmen Smartway: die Technologie hilft Lebensmittelabfälle zu vermeiden, indem die Verwendbarkeit eines Produkts durch das Food-Waste-Management-System digital erfasst wird.

Unser Fazit

Loyalitätsprogramme können helfen, die Kosten der Verbraucher:innen für den Wocheneinkauf so gering wie möglich zu halten. Für die Konsument:innen ist das Sparpotential bei den Ausgaben für Lebensmittel im letzten Jahr noch wichtiger geworden. Kundenbindungsprogramme, die hierbei unterstützen, sind zunehmend gefragt und können sogar motivieren, den Stammsupermarkt zu wechseln. Darüber hinaus zeigen Verbraucher:innen größeres Interesse an Nachhaltigkeit. Der Lebensmitteleinzelhandel kann darauf mit einer starken Position zum Thema und der Kommunikation umweltfreundlicher Merkmale reagieren.

Utku Tansel
Yvonne Bernhardt
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