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„Schönheit liegt im Auge des Betrachters“ – eine vielzitierte Redensart, die oftmals im Widerspruch zur Realität steht. Schließlich ist Schönheit vor allem gleichbedeutend mit Symmetrie und Perfektion. Doch was geschieht, wenn diese Normen aufgebrochen und vermeintliche Makel zu Schönheitsmerkmalen werden? Willkommen in der Welt der Ugly Beauty.
Gegenentwurf zur Oberflächlichkeit
Wie viele Trends hat der neue Mut zur Hässlichkeit seinen Ursprung auf der Social-Media-Plattform TikTok. Dort erwuchs der Ugly-Beauty-Trend aus einer Rebellion gegen strenge Schönheitsstandards, die sich nachweislich negativ auf die mentale und körperliche Gesundheit auswirken – vor allem die von Frauen und Mädchen. Getragen von der großen Resonanz hat sich der Trend inzwischen seinen Weg in den Mainstream gebahnt. Von unperfekten Zähnen bis hin zu Akne, Dehnungsstreifen und Körperhaaren bei Frauen – kleine und große „Makel“ werden bewusst inszeniert und teils sogar zum Accessoire mit Statement-Wirkung.
Der Ugly-Beauty-Trend fußt auf der Annahme, dass sich hinter einem ungewöhnlichen Aussehen eine Geschichte verbirgt. Menschen, die vom gängigen Schönheitsideal abweichen, haben häufig Erfahrungen gemacht, die sie geprägt haben. Dadurch wird ihr Äußeres zu einem Ausdruck ihrer Persönlichkeit und Einzigartigkeit. Eine prominente Gallionsfigur des Trends ist die Schauspielerin und Künstlerin Julia Fox. Mit gebleichten Augenbrauen, exzentrischen Outfits und dem Credo „Ageing is fully in“ ermutigt sie ihre Followerschaft dazu, klassischen Schönheitsbildern den Rücken zuzukehren. Tatsächlich hat Fox aus ihrer Suchtvergangenheit und weiteren Jugendsünden nie einen Hehl gemacht.
Mehr Inklusion dank Ugly Beauty?
Darin liegt großes Identifikationspotenzial. Auch deshalb hat der Ugly-Beauty-Trend dazu geführt, dass immer mehr Beauty-Marken auf Werbekampagnen setzen, die unperfekte und vermeintlich „hässliche“ Merkmale zelebrieren. Hier geht es nicht mehr darum, Produkte zu verkaufen, die Schönheitsfehler verbergen, sondern um eine (Neu-)Positionierung der Marke rund um Akzeptanz und Individualität. Für die Verbreitung solcher Botschaften bietet Social Media den idealen Nährboden: Ein Viertel der Deutschen ist bereits der Meinung, dass Beauty-Werbung dort inklusiver ist als in traditionellen Medien.
Bereits 2019 setzte Gucci mit der Neuauflage seiner Beauty-Linie hier neue Maßstäbe. Beworben wurde ein Lippenstift, aber die großen Zahnlücken von Model und Sängerin Dani Miller waren der eigentliche Star. In Deutschland trifft Gucci damit nach wie vor und vor allem bei jüngeren Zielgruppen einen Nerv, denn über ein Drittel der 16-24-Jährigen Deutschen wünscht sich aktuell mehr Darstellungen unperfekter Zähne in der Kosmetikwerbung.
Wer hässlich sein darf – und wer nicht
Doch ein kontroverser Trend wie Ugly Beauty bleibt nicht ohne Gegenreaktion. Neben ästhetischen Einwänden besteht ein weiterer Kritikpunkt darin, dass nur normschöne Menschen es sich leisten können, „ugly“ zu sein. Kritiker argumentieren, es sei ein Privileg, unperfekt auszusehen und dennoch als schön oder cool zu gelten. Tatsächlich ist es ein Unterschied, ob es sich bei den „hässlichen“ Merkmalen um bewusst gewählte (und teils temporäre) Modifikationen wie Achselbehaarung oder Make-up handelt, oder beispielsweise um eine angeborene Pigmentstörung. Ebenso berechtigt ist das Argument, der Trend zur Akzeptanz von Unvollkommenheiten sei nur oberflächlich und löse nicht das grundlegende Problem – den stetigen Druck, perfekt auszusehen.
Selbiger ist ungebrochen, denn selbst ein erweiterter Schönheitsbegriff schließt noch immer vieles aus: Menschen mit Behinderungen zum Beispiel finden nach wie vor wenig Beachtung in Werbung und Produktentwicklung. Und auch Älterwerden abseits von Anti-Aging ist ein Tabu, das noch darauf wartet, gebrochen zu werden. Das ehemalige Supermodel Paulina Porizkova setzt sich offen mit dem Thema auseinander und zeigt sich dabei durchaus ambivalent.
Gen Z fordert klare Kante
Ambivalenz können sich Marken jedoch nicht leisten: Mehr als ein Drittel der Deutschen und 44% der unter 25-Jährigen finden, dass die Bemühungen von Beauty- und Pflegemarken im Hinblick auf Diversität und Inklusion häufig nicht authentisch wirken. Beauty-Marken tun daher gut daran, die eigenen Bestrebungen einer kritischen Bestandsaufnahme zu unterziehen, um relevant zu bleiben und zu vermeiden, gerade von Jüngeren „gecancelt“ zu werden. Für die ist das Thema nämlich mehr als reine Fassade: Sie wollen gehört werden und einen echten Wandel sehen.
Unser Fazit
Trotz aller Kritik ist Ugly Beauty ein Trend mit Signalwirkung in einer Welt, in der Schönheitsideale zunehmend unerreichbar erscheinen. Er eröffnet eine alternative Sichtweise und zeigt, dass Schönheit fernab makelloser Gesichter und Körper existieren kann. Es geht dabei nicht nur um die Akzeptanz vermeintlicher Schönheitsfehler, sondern um Freiheit und Selbstbestimmung. Somit ist Ugly Beauty ein wichtiger Schritt in Richtung einer demokratischeren Beauty-Welt.
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