Die Einzelhandelsbranche war in den letzten Jahren großem Wandel ausgesetzt. Die Corona-Pandemie, Kriege und damit verbundene Energie- und Lieferengpässe, die sich in steigenden Preisen und einer stagnierenden Wirtschaft niederschlugen, haben der globalen Wirtschaft und den Verbraucher:innen weltweit stark zugesetzt. Technologische Innovationen wie Künstliche Intelligenz bergen neue Chancen, doch auch neue Risiken. Wohin bewegen sich der stationäre und der Onlinehandel, und welche Faktoren gibt es zu beachten?
Lesen Sie weiter und erhalten Sie mit Mintel einen Überblick zur deutschen Einzelhandelsbranche:
- Wie wirkt sich das aktuelle Wirtschaftsgeschehen und das veränderte Kaufverhalten auf den Einzelhandel aus?
- Lässt sich ein zunehmender Wandel hin zum Onlinehandel beobachten?
- Wie steht es mit der Nachhaltigkeit: Ist der Online-Einzelhandel die Lösung oder ein Hindernis?
Die aktuelle Marktlandschaft der Einzelhandelsbranche
Kontinuierlich steigende Preise und Reallöhne, die nicht mit der Inflation Schritt halten, resultieren in sinkender Kaufkraft für Verbraucher:innen und damit auch in einem preisbewussteren Kaufverhalten. Dieser Umschwung kommt Discountern zugute: Im Lebensmittelmarkt machen Discounter 40 % der Umsätze aus und landen noch vor den Supermärkten.
Supermärkte können mit Regionalität punkten. Fast 70 % der Deutschen stimmen zu, dass die Auswirkungen aktueller Ereignisse auf internationale Lieferketten gezeigt haben, wie wichtig es ist, regionale Unternehmen zu unterstützen. Dieser Sinn für Regionalität existiert in allen Altersgruppen und birgt insbesondere für den Lebensmitteleinzelhandel große Marktchancen.
Der stationäre Handel hält in der Kosmetikindustrie die Nase vorn. Fast alle der Verbraucher:innen kaufen ihre Kosmetik- und Körperpflegeprodukte im Geschäft. Grund dafür ist die Möglichkeit, Kosmetikartikel im stationären Handel testen zu können – insbesondere bei Farbe und Duft ein nicht unwesentlicher Faktor. Außerdem schrecken Liefergebühren Käufer:innen vom Onlineshopping ab.
Einzelhandelstrends: Nachhaltigkeit und Ethik
In Deutschland hat sich ein allmählicher Wandel hin zu ethischem und bewusstem Einkaufen vollzogen. Tatsächlich erkennen 82 % der Deutschen ihre persönliche Verantwortung beim Schutz der Umwelt an und Verbraucher:innen legen trotz der wirtschaftlichen Lage ein ethisches Einkaufsverhalten an den Tag. Obwohl Konsument:innen sich ihrer eigenen Verantwortung bewusst sind, verlangen sie auch mehr Transparenz und Engagement von Unternehmen.
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Kund:inneninteraktion im Einzelhandel fördern
Verbraucher:innen nutzen Social Media als Inspirations- und Informationsquelle
Die weit verbreitete Nutzung von Social Media in Deutschland, vor allem unter jüngeren Konsument:innen, bietet der Einzelhandelsbranche Möglichkeiten, Verbraucher:innen zum Kauf bestimmter Produkte zu inspirieren – direkt per Mobile über die jeweilige Plattform oder per Ladenbesuch. Darüber hinaus nutzen junge Konsument:innen soziale Medien, um Produktrezensionen und Empfehlungen zu recherchieren. Da diese die Kaufentscheidung massiv beeinflussen können, kann der Einzelhandel das Vertrauen der Verbraucher:innen in Influencer:innen nutzen und deren Empfehlungen im Geschäft vermitteln, indem sie beliebte Produkte durch “Influencer Picks” hervorheben. Douglas, zum Beispiel, tut dies indem sie Kund:innenbewertungen im Geschäft anzeigen.
Durch Treueprogramme können Einzelhändler Kund:innen sektorenübergreifend an sich binden
Supermarkt-Treueprogramme sind bei deutschen Verbraucher:innen am beliebtesten, gefolgt von Kosmetik und Körperpflege. Besonders ältere Käufer:innen schätzen Rabatte, die Treue- und Prämienprogramme ihnen im Lebensmittelmarkt bieten.
Der Anreiz für die Beliebtheit von Treueprogrammen liegt vor allem in der Möglichkeit beim Einkauf Geld zu sparen, aber, da sich die finanzielle Zuversicht der Verbraucher:innen verbessert, werden Einzelhändler vor der Herausforderung stehen, mehr als nur einlösbare Punkte und Rabatte anzubieten, insbesondere außerhalb des Lebensmitteleinzelhandels. Tatsächlich müssen Einzelhändler nach kreativen Wegen suchen, um die Personalisierung zu erhöhen, da der Wunsch nach Personalisierung vor allem unter jüngeren Millennials zunimmt. Der Trend spiegelt einen allgemeinen Wandel hin zu maßgeschneiderten Erlebnissen wider, insbesondere da KI das Kund:innenerlebnis zunehmend verändert.
Ist der Onlinehandel die Zukunft?
Durch die Corona-Pandemie florierte der Online Einzelhandel zu Beginn des Jahrzehnts. Nun, zum ersten Mal seit über einem Jahrzehnt sind die Umsätze im Onlinehandel in zwei aufeinanderfolgenden Jahren gesunken. Grund dafür sind die Kaufzurückhaltung der Verbraucher:innen und der Trend zur Normalisierung des Onlinehandels nach der Pandemie. Obwohl die Zahlen für den Onlinehandel allgemein rückläufig sind, zeigt das erste Quartal 2024 Anzeichen einer Stabilisierung für die Kategorien Lebensmittel und Mode.
93 % der Deutschen kaufen Produkte online ein – hier besteht also großes Potenzial, die Online-Umsätze durch die Verbesserung des Online-Erlebnisses wieder oder weiter zu steigern:
1. Der hektische Alltag vieler Verbraucher:innen macht Convenience zur Priorität
In Deutschland setzen Supermärkte auf die Digitalisierung, um die Convenience und Effizienz als Reaktion auf die Nachfrage der Verbraucher:innen nach einem nahtloseren Einkaufserlebnis zu verbessern. Rewe zum Beispiel betreibt bereits vier Pick&Go-Geschäfte, die es Kund:innen ermöglichen, mithilfe einer App autonom einzukaufen, wodurch das Anstehen an der Kasse entfällt. Vor allem jüngere Käufer:innen bevorzugen beim Kauf von Lebensmitteln oft Scan&Pay-Dienste und In-App-Shopping.
2. Der Onlinehandel bietet in Zeiten begrenzter Budgets einen Preisvorteil
Der Online Einzelhandel kann Käufer:innen primär durch Preisvorteile ansprechen. Vor allem Hautpflege, Make-up und Parfüm sind online am stärksten vertreten und werden von Online-Käufer:innen häufiger erworben. Während die Möglichkeit Produkte zu testen ein Vorteil für den stationären Handel von Kosmetik- und Körperpflegeprodukten ist, sind Verfügbarkeit und Preis entscheidende Faktoren, die Verbraucher:innen zum Onlineshopping veranlassen.
3. Omnichannel: Das Beste aus beiden Welten
Die ästhetikgetriebene Kosmetikindustrie hat die visuellen Möglichkeiten des Metaverses bereits erkannt und damit begonnen, die physische und virtuelle Welt miteinander zu vereinen. Apps, die es Nutzer:innen ermöglichen, online Make-up auszuprobieren oder ihre virtuellen Avatare mit Kosmetik- und Körperpflegeprodukten individuell anpassen können, die dann offline gekauft werden können, gewinnen zunehmend an Beliebtheit. Auch Social Media kann genutzt werden, um den Omnichannel-Strategie auszuweiten. Zum Beispiel, um Käufer:innen über Produkte aufzuklären, oder zum Kauf zu inspirieren, da 45 % der Generation Z und Millennials die Inhalte von Social-Media-Persönlichkeiten verfolgen und Produkte auf Empfehlung von Influencer:innen kaufen. Live-Stream-Shopping und In-App-Kaufoptionen sprechen diese Käufer:innen an und setzen Impulskäufe, da Zuschauer:innen den Look von Influencer:innen nachahmen und gleichzeitig lernen können, wie die Produkte verwendet werden.
Wie KI-Tools den Online Einzelhandel revolutionieren
Die Einführung von Chat-GPT hat das Thema generative KI in das öffentliche Bewusstsein gerückt und wird große Auswirkungen darauf haben, wie Verbraucher:innen das Internet durchsuchen und ihre Online-Käufe tätigen. 80 % der Deutschen glauben, dass sich die Technologie positiv auf die Informationssuche auswirken wird, und fast die Hälfte erwartet, dass KI in dieser Hinsicht von Vorteil sein wird.
Unternehmen können KI außerdem nutzen, um das Kund:innenerlebnis weiter zu personalisieren. Zum Beispiel, durch das Bereitstellen relevanter Informationen, ohne dass Konsument:innen lange suchen müssen, oder um Treueprogramme ansprechender und maßgeschneiderter zu machen.
eCommerce Trends: Online-Marktplätze
Nicht nur Einzelhändler profitieren von der Beliebtheit des Onlinehandels. Online-Marktplatz-Plattformen bieten Verbraucher:innen Vorteile, birgt allerdings auch Hürden.
1. Preisvergleich und -vorteil
79 % der Verbraucher:innen, die online einkaufen, sind der Meinung, dass sie online Produkte zum besten Preis ergattern können. Wenn Budgets eingeschränkt sind, bieten Online-Marktplätze die Möglichkeit, Preise zu vergleichen, zu verhandeln (da sie bei Privatpersonen, statt Einzelhändlern kaufen), oder sich selbst beim Verkauf etwas dazuzuverdienen.
Über die Hälfte der Deutschen nutzen Preisvergleichs-Tools, um online die besten Preise zu finden. Dies bietet Online-Marktplätzen die Möglichkeit, ihre Beliebtheit zu steigern, indem sie das Konzept des „Smart Shopping“ durch Preisvergleiche vorantreiben. Wenn Verbraucher:innen die Möglichkeit haben, die Preise verschiedener Einzelhändler an einem Ort zu vergleichen, könnte dies die von Online-Marktplätzen gebotenen Vorteile weiter hervorheben und so mehr Verbraucher:innen davon überzeugen, sie zu nutzen. Das schwedische Fintech-Unternehmen Klarna hat bereits ein solches Tool eingeführt.
Klarna bietet Kund:innen ein Preisvergleichs-Tool, um die Preise eines Produkts bei unterschiedlichen Händler:innen vor dem Kauf zu vergleichen. Quelle: klarna.com.
2. Gefälschte Ware schreckt Käufer:innen ab
22% der Verbraucher:innen haben beim Kauf von Artikeln über einen Online-Marktplatz Bedenken, dass das Produkt gefälscht ist. Aufgrund der immensen Auswahl an Produkten und der großen Bandbreite an Anbietern ist das Risiko von Fälschungen allgegenwärtig. Um dem entgegenzuwirken, müssen Online-Marktplätze ihre Zuverlässigkeit gegenüber Kund:innen beweisen und die Bedenken der Käufer:innen über gefälschte Waren mindern. Plattformen können Käufer:innen zusätzliche Sicherheit bieten, indem sie den Prozess der Produktverifizierung transparent machen. Amazon versucht bereits, diesem Trend entgegenzuwirken, indem ein Warnmechanismus für Artikel eingeführt wurde, die häufig zurückgegeben werden. So will man verhindern, dass Kund:innen möglicherweise gefälschte Produkte kaufen. Dennoch wird es unglaublich schwierig, wenn nicht gar unmöglich sein, gefälschte Produkte vollständig zu vermeiden. Daher ist es wichtig, Beschwerden von Verbraucher:innen schnell und fair zu lösen, um ihr Vertrauen nicht zu verlieren.
Nachhaltigkeit im Onlinehandel
Nachhaltigkeit im Online Einzelhandel ist ein zweischneidiges Schwert. 19 % der Nutzer:innen von Online-Marktplätzen nutzen diese, um umweltfreundlicher zu sein. Die große Auswahl an Second-Hand-Kleidung auf Plattformen wie Vinted ist für die Mehrheit der Verbraucher:innen eine gute Möglichkeit, die Umweltbelastung durch Fast-Fashion-Modeketten zu reduzieren.
Ein größeres Bewusstsein für Nachhaltigkeit spielt eine tragende Rolle bei der Beliebtheit von Online-Marktplätzen und Second-Hand-Mode, aber auch der Einfluss der Wirtschaftskrise auf die finanzielle Zuversicht der Verbraucher:innen macht Second-Hand-Artikel attraktiver. Dies führt dazu, dass der Kauf von Second-Hand-Produkten zunehmend an Bedeutung gewinnt, da die Verbraucher:innen versuchen, Nachhaltigkeit mit einem begrenzten Budget zu vereinen. Jede/r Dritte gibt an, dass finanzielle Bedenken sie in den vergangenen zwölf Monaten dazu veranlasst haben, mehr auf Online-Marktplätzen einzukaufen. Marktplätze können daher hervorheben, dass beim Kauf von Second-Hand-Produkten die Nachhaltigkeit trotz eines niedrigen Preises nicht zu kurz kommt.
So zeigt der Werbespot von Ebay Kleinanzeigen zum Beispiel, dass der Kauf von Second-Hand-Produkten Spaß machen kann, weil man Geld sparen und gleichzeitig den Schutz der Umwelt fördern kann.
Allerdings sind der Verpackungsmüll beim Versand und die Zustellung auf der letzten Meile, nach Angaben des Umweltbundesamtes, die umweltschädlichsten Faktoren im Onlinehandel. Dies verdeutlicht die Notwendigkeit einer grünen Transformation in diesen Bereichen.
Für Einzelhändler ist die Ausweitung von Click-and-Collect-Diensten wichtig, um Kosten für die Zustellung auf der letzten Meile zu sparen und umweltfreundlicher zu arbeiten. Um von diesen Vorteilen zu profitieren, ist es wichtig, die Nutzung solcher Dienste zu steigern, indem Verbraucher:innen über ihre nachhaltigkeitsbezogenen Vorteile und ihr Kosteneinsparungspotenzial informiert werden.
Damit Konsument:innen solche Dienste aber auch nutzen können, muss das Netzwerk von Click-and-Collect-Abholstellen ausgeweitet werde, zum Beispiel, durch lokale Geschäfte, Cafés oder Tankstellen, die ihrerseits von mehr Besucher:innen und zusätzlichen Verkaufsmöglichkeiten profitieren können.
In die Zukunft der Einzelhandelsbranche mit Mintel
Zukünftig sollte die Einzelhandelsbranche diese Schlüsselbereiche zur Priorität machen, um die Kund:innenbindung aufrechtzuerhalten: Preis und Wert, Ausbau der Online- und Omnichannel-Präsenz sowie Nachhaltigkeit.
Mehrwert & Preis-Leistungs-Verhältnis
Obwohl einige bereit sind, mehr auszugeben, werden viele Haushalte weiterhin Einsparungen beim Einkauf machen. Einzelhändler können die erwartete Erholung in den kommenden Jahren nutzen, indem sie das Preis-Leistungs-Verhältnis hervorheben und gleichzeitig andere Vorteile und Reize bieten. In der Lebensmittelbranche, zum Beispiel, kann das Interesse am Kochen zu Hause genutzt werden, indem Supermärkte qualitativ hochwertige und dennoch erschwingliche Lebensmittel und Getränke anbieten, die das allgemeine Essenserlebnis zu Hause verbessern.
Online- und Omnichannel-Präsenz
Obwohl das große Marktwachstum des Onlinehandels langsam rückläufig wird, wird der Omnichannel-Ansatz essentiell sein, um Kund:innen ein Maximum an Convenience bieten zu können und Konsumgruppen allen Alters zu erreichen.
Einzelhandelstrends: Nachhaltigkeit
Nachhaltigkeitsbemühungen werden sowohl im stationären als auch im Onlinehandel unter Beweis gestellt werden müssen. Durch minimale, recyclebare Verpackung und durch die Reduzierung des CO₂-Fußabdrucks bei der Lieferung von Onlinebestellungen, z.B. mit Hilfe von mehr Click-and-Collect-Optionen.
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