Mit dem eCommerce-Boom und der rasanten digitalen Transformation stellt sich die Frage, ob physische Geschäfte in der Modebranche noch eine Zukunft haben. Die Antwort? Ein klares Ja. Online-Shopping punktet mit großer Auswahl und kleinen Preisen, aber der stationäre Handel bietet Erlebnisse, die reiner Onlinehandel niemals ersetzen kann.
Besonders spannend ist, dass die junge Gen Z eine Vorliebe für den Einkauf im Geschäft zeigt – eine Generation, die man eigentlich als digital geprägt wahrnimmt. Doch für sie ist der stationäre Handel mehr als reiner Konsum. Es geht um Interaktion, Inspiration und das besondere Erlebnis. Schauen wir uns an, warum Modeeinkäufe in Geschäften auch weiterhin relevant bleiben und welche Strategien den stationären Modehandel zukunftsfähig machen.
Stationärer Modehandel stärker in Krise
Die Modebranche befindet sich in einem tiefgreifenden Wandel. Verbraucher:innen gehen zunehmend vorsichtiger mit ihren Ausgaben um, insbesondere bei Mode, deren Anteil an den privaten Konsumausgaben von 4,4 Prozent im Jahr 2017 auf 3,6 Prozent im Jahr 2022 gesunken ist. Trotz deutlich gestiegener Preise, die die allgemeine Inflation übertreffen, könnten die Konsumausgaben für Mode in Deutschland im Jahr 2024 erstmals wieder das Vorkrisenniveau von 2019 übersteigen.
Diese Entwicklungen stellen sowohl den stationären als auch den Online-Handel vor Herausforderungen. Laut Berechnungen des Branchenverbandes HDE entschieden sich deutsche Verbraucher:innen 2024 wieder überwiegend für den Einkauf von Mode und Accessoires in stationären Geschäften. Der Umsatz in diesem Segment wuchs um 1,3 Milliarden Euro, was einem Anstieg von 4,8 Prozent entspricht. Im Gegensatz dazu verzeichnete der Online-Handel nur einen moderaten Zuwachs von 0,1 Milliarden Euro. Dies entspricht einem Zuwachs von 0,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr und unterstreicht die Verschiebung hin zu physischen Einkaufserlebnissen.
Was macht physisches Shopping so besonders?
Während eCommerce mit Komfort und einer riesigen Auswahl lockt, hat das Shopping im Laden andere Stärken. Es geht um die direkte haptische Erfahrung. Stoffe anfassen, Kleidungsstücke anprobieren, spontan auswählen – all das gibt den Käufern ein Gefühl von Sicherheit und unterstützt ihre Entscheidungen. Gerade das Anprobieren ist ein entscheidender Vorteil des stationären Handels, denn für 67 Prozent der deutschen Moderkäufer:innen ist eine gute Passform der wichtigste Faktor beim Kauf neuer Kleidung.
Ein anderer großer Vorteil physischer Geschäfte ist die Möglichkeit, Marken durch Storytelling zum Leben zu erwecken. Ein Store ist viel mehr als nur ein Verkaufsraum – er ist eine Bühne, auf der die Identität, Werte und Vision einer Marke spürbar werden. Gerade Gen Z, eine Generation, die gern experimentiert und Wert auf ihre persönliche Ausdrucksweise legt, wird hier abgeholt. Sie schätzt physisches Shopping für seine sozialen, emotionalen und interaktiven Aspekte.
Gen Z liebt das Erlebnis
In den letzten 12 Monaten haben 64 Prozent der deutschen Gen Z-Kund:innen Modeartikel im Geschäft gekauft – im Durchschnitt der Gesamtbevölkerung waren es nur 57 Prozent. Warum? Weil für sie Shopping weit über das Bezahlen an der Kasse hinausgeht und weil Mode bei Gen Z einen besonders hohen Stellenwert hat; für über die Hälfte von ihnen ist sie das wichtigste Tool zum Selbstausdruck.
Der Laden wird zu einem sozialen Treffpunkt. Outfits gemeinsam anprobieren, Designs diskutieren und dabei Spaß haben – das ist „Social Shopping“ in Aktion. Besonders beliebt sind stylische, visuell ansprechende Stores, die oft eine Art Bühne für den Selbstausdruck darstellen. Einrichtung, die sich perfekt für Instagram eignet und ein einzigartiges Ambiente schafft, macht diese Stores zu einer Inspirationsquelle und einem Ort für Gemeinschaft.
Omnichannel als Schlüssel zur Zukunft
Die wahre Stärke liegt in der Verbindung von digitalem und stationärem Handel. Die Polarität zwischen „online“ und „offline“ hat längst ausgedient. Omnichannel-Retailing bündelt die Vorteile beider Welten und schafft ein nahtloses Einkaufserlebnis. Funktionen wie „Buy Online, Pick Up in Store“ (BOPIS) sind hier Paradebeispiele.
Neue Technologien wie Augmented Reality und künstliche Intelligenz revolutionieren zusätzlich das Einkaufserlebnis, indem sie immersive Interaktionen und personalisierte Empfehlungen direkt im Store ermöglichen. Interaktive Displays und virtuelle Umkleidekabinen bieten darüber hinaus eine Mischung aus Entertainment und Funktionalität, die Kund:innen begeistert und gleichzeitig den Kaufprozess optimiert. 35% der Deutschen Modekäufer:innen sind daran interessiert, solche Technologien auszuprobieren.
Ein Store, der inspiriert
Besonders beeindruckend wird das am Beispiel von Bershka in Mailand deutlich. Der Store ist weit mehr als nur ein Ort, um Kleidung auszusuchen und zu kaufen. Hier wird die junge, trendbewusste Identität der Marke durch jedes Detail zum Leben erweckt. Mit modernem und urbanem Design spricht der Store vor allem die Gen Z an, die stets Erlebnisse und Inspiration sucht.
Die Highlights des Stores:
- Innovative Umkleidekabinen mit RFID-Technologie und Augmented Reality bereichern das Omnichannel-Erlebnis und ermöglichen gleichzeitig das Teilen von Einkaufsmomenten über soziale Netzwerke.
- Die Umkleidekabinen bieten zusätzlich Touchscreens zur Suche nach Größen, Stilen oder Inspirationen, erleichtern die direkte Bezahlung und erlauben die individuelle Anpassung von Beleuchtung und Musik.
- Traditionelle und automatische Kassen passen sich den unterschiedlichen Vorlieben und Geschwindigkeiten der Kunden an.
- Im Erdgeschoss befinden sich ein speziell eingerichteter Bereich für Online-Rücksendungen sowie eine Abholstation für Online-Bestellungen, die über einen QR-Code abgewickelt werden können – ausgestattet mit dem größten „Silo“ innerhalb eines Bershka-Geschäfts.
Nachhaltigkeit als stationärer Vorteil
Ein weiterer Grund, warum Geschäfte attraktiv bleiben, ist das wachsende Bewusstsein für Nachhaltigkeit. Im Store können Kund:innen Produkte anfassen, sich über Materialien informieren und sich direkt ein Bild von nachhaltigen Alternativen machen.
Gen Z ist besonders sensibel für diese Themen. Capsule Wardrobes – kompakte, flexibel kombinierbare Garderoben, die unnötigen Konsum vermeiden – gewinnen immer mehr an Bedeutung. Marken wie H&M greifen dies auf, indem sie Secondhand-Mode in ihr Ladenkonzept integrieren, wie kürzlich in einer Filiale in Stockholm demonstriert wurde.
Warum sollten Marken weiter in stationäre Läden investieren?
1. Für den Aufbau von Communities
Läden sind nicht mehr nur Verkaufsort, sondern schaffen Räume für gelebte Gemeinschaft. Ein Beispiel dafür ist Lululemon, das in seiner Berliner Filiale Events organisiert, um treue Kundengemeinschaften aufzubauen. 30% der deutschen Modeshopper:innen finden Marken, die ein Gemeinschaftsgefühl fördern, ansprechend. Bei Gen Z sind es sogar 49%.
2. Für Omnichannel-Vorteile
Die Verknüpfung von Online- und Offline-Erlebnissen verschafft Unternehmen einen klaren Wettbewerbsvorteil. Plattformen, die eine nahtlose Integration ermöglichen, wie Unified Commerce, schaffen bequeme und konsistente Erlebnisse.
3. Für Individualität
Starke, unverwechselbare Retail-Konzepte sind ein Pluspunkt in einer hart umkämpften Branche. Sei es durch auffallendes Store-Design, innovative Pop-ups oder mitreißende Events – wer sich hier hebt, gewinnt langfristig.
Fazit
Modekäufe im Geschäft sind alles andere als Schnee von gestern. Doch der Schlüssel liegt in der Weiterentwicklung. Marken, die auf Omnichannel-Einbindung, smart eingesetzte Technologien und Nachhaltigkeit setzen, schaffen Kundenbindung, die weit über den Moment des Kaufs hinausgeht.
Für Modeunternehmen bedeutet das, jetzt auf kreative, individuelle und erlebnisreiche Konzepte zu setzen. Denn eines ist sicher: Die Zukunft mag digital sein, aber sie wird nie nur digital sein.