Weiterhin hohe Energie- und Produktionskosten, steigende Löhne bei gleichzeitig schwächelnder globaler Nachfrage und wachsenden politischen Unsicherheiten: Wie bereits ihre Vorgängerin steht auch die neue Bundesregierung unter Friedrich Merz vor vielschichtigen wirtschaftlichen Herausforderungen. Volkswirte erwarten für 2025 lediglich ein geringes Wirtschaftswachstum. Noch drastischer fällt die Prognose mit Blick auf die Trump-Zölle aus – sie könnten Deutschland im dritten Jahr in Folge in die Rezession treiben. Hinzu kommt eine gestiegene Arbeitslosenquote von aktuell 6,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Gefühlte Inflation dämpft Konsumklima
Obwohl die Inflation wieder auf konventionellere Niveaus von 2 Prozent zurückgekehrt ist, glaubt über die Hälfte der Verbraucher:innen nicht an eine Verbesserung der anhaltend hohen Lebenshaltungskosten. Deutsche Verbraucher:innen bleiben äußerst preissensibel: Laut Mintel gaben im Mai 2025 rund 67 Prozent der deutschen Verbraucher:innen an, die gestiegenen Lebensmittelpreise deutlich zu spüren.
Die subjektiv wahrgenommene oder gefühlte Inflation* ist ein entscheidender Faktor hier, da sowohl sie als auch die Inflationserwartungen das Konsumverhalten beeinflussen. Die Folge: Die Konsumstimmung bleibt verhalten, eine spürbare Entlastung durch sinkende Inflation ist bislang ausgeblieben. Zusätzlich könnten neue handelspolitische Maßnahmen der USA und mögliche EU-Vergeltungszölle die Inflation um bis zu 0,5 Prozentpunkte anheben, warnt EZB-Präsidentin Christine Lagarde.
Nach Pandemie und Energiekrise erholt sich das finanzielle Wohlergehen der Deutschen nur langsam und liegt weiterhin unter dem Vorkrisenniveau. Auch das Vertrauen in die eigene finanzielle Zukunft bleibt brüchig: Zwar ist es im Mai stabil bei 21 Prozent geblieben, liegt aber noch immer unter dem Stand von März 2022 (26 Prozent).
Sollte bis zum Ende des 90-tägigen Verhandlungsfensters im Juli mit den USA keine Einigung erzielt werden, drohen weitere Zölle – mit Auswirkungen auf die hiesigen Preise und die Sortimentsauswahl. Auch wenn die EU-Vergeltungszölle keine Güter des täglichen Bedarfs betreffen, werden Preiserhöhungen die Unsicherheit verstärken und die Konsumstimmung negativ beeinflussen. Bereits jetzt sorgen sich drei von fünf Konsument:innen, dass globale Entwicklungen ihre Auswahl an Lebensmitteln und Getränken einschränken könnten; ebenso machen sich drei von vier Verbraucher:innen Sorgen um Preiserhöhungen in den nächsten 6 Monaten.
In Europa hat sich die digitale Bewegung „Go European“ organisiert, um europäische Alternativen zu beliebten US-Produkten zu finden. Kürzere Lieferketten, niedrigere CO₂-Emissionen und die Unterstützung lokaler Wirtschaftskreisläufe überzeugen immer mehr Verbraucher:innen. 30 Prozent der Deutschen geben an, in den letzten drei Monaten mehr Produkte von europäischen Marken gekauft zu haben als in den drei Monaten zuvor. Mintel geht davon aus, dass dieser Trend den Absatz regionaler Produkte weiter stärken wird. 56 Prozent der Deutschen geben an, die Unterstützung der heimischen Wirtschaft habe aktuell für sie Priorität. Knapp drei Viertel haben in den zwei Monaten vor April gezielt zu Lebensmitteln und Getränken aus regionaler Produktion gegriffen. In anderen Bereichen gibt es noch Nachholbedarf: Nur drei von zehn Konsument:innen kauften regionale Haushaltspflege- oder Schönheitsprodukte. Ein möglicher Grund: Diese Branchen sind stark innovationsgetrieben und setzen häufig auf global bezogene Inhaltsstoffe, um die Preise niedrig zu halten. In einigen anderen, wie z. B. der Modeindustrie, ist die lokale Herstellung kaum rentabel.
Lokale Gemeinschaften und Rückverfolgbarkeit stärken Vertrauen und fördern Zusammenhalt in Krisenzeiten
Laut Mintel sind rund drei Viertel der Deutschen überzeugt, dass es in Zeiten unsicherer globaler Lieferketten wichtig ist, regionale Unternehmen zu unterstützen. Dabei geht es nicht nur um ökonomische Aspekte, sondern auch um den sozialen Zusammenhalt: Lokale Cafés, Bauernhöfe, Freizeitgruppen – aber auch Händler und Marken – spielen für viele eine zunehmend zentrale Rolle. Auch Global Player können sich lokal stark machen. So sind 53 Prozent der Deutschen der Meinung, dass globale Marken lokale Gemeinschaften stärker unterstützen sollten.
Wie im Mintel-Trend „Die Community – Gemeinsam Leben“ beschrieben, suchen Menschen in einem sich schnell wandelnden Umfeld nach verlässlichen sozialen Strukturen. Unternehmen, die dies ernst nehmen und lokales Engagement transparent kommunizieren, können sich als verantwortungsbewusste Marke positionieren – ein Pluspunkt für Vertrauen, Markenbindung und langfristiges Wachstum.
* Die gefühlte Inflation beschreibt, wie stark Verbraucher:innen Preissteigerungen persönlich wahrnehmen. Häufig ist dieses subjektive Empfinden höher als die offizielle Inflationsrate – insbesondere, weil es von regelmäßig anfallenden Ausgaben für alltägliche und lebensnotwendige Produkte wie Lebensmittel oder Getränke geprägt ist.